Aktuelles - Schlaraffia Berolina e.V.

Direkt zum Seiteninhalt

Aktuelles

Es wurde eng an Berolinas Junkertafel
...ein Lulu mit voller Kraft ihm, der heut’ zur Junkerschaft sich emporgehoben....
Im Geist dieses schönen Schlaraffenliedes füllte sich am 22. im Lenzmond die Junkertafel der Berolina mit Junkern, Knappen und Pilgern aus nah und fern, denn es galt an diesem Abend, Höhepunkten schlaraffischen Treibens gegenwärtig sein zu können.
Nichts weniger als der Junkerprüfung zweier Knappen, des Kn 871 und Kn 872 galt es beizuwohnen, die natürlich mit herausragender Kenntnis abgelegt wurden, auch wurde Prüfling Reinsch nach seiner Kugelung am 1. im Lenzmond an diesem Abend als Knappe 873 der Berolina eingekleidet.
Der Pilger Ochmann, der sich schon lange unter UHUs Schwingen einfindet und die Sippungen mit wunderbaren musikalischen Beiträgen in der Vergangenheit bereicherte, war ebenso herbeigeeilt wir das Burgknäpplein des Kn 872.
Knappen und Junker aus den hohen Reychen Castrum Bonnense und Ad Villingam vervollständigten den schlaraffischenen Kranz der Junkertafel.
So geht aus diesem schönen Abend wieder einmal in Botschaft in das Uhuversum – Schlaraffia soll leben.
Rt Rastermolch - Rbe




Gedenkrede anlässlich der Stolpersteinverlegung für Rt Benvenuto Cellini (Erich Schlesinger), seiner Burgfrau Edith, geb. Ahlfeld und seinem Burgschreck Rosa Ahlfeld, geb. Salomon
Berlin-Mitte, Sebastianstraße 20 am 16.6.23



 
 
 
Sehr geehrte Gäste, Anwohner und Freunde der Geschichte, vielliebreizende Burgfrauen und -wonnen, Ehrenritter der Berolina, Schlaraffen hört,

in voller schlaraffischer Rüstung bietet der Verein Schlaraffia e.V. mit seinem Reych Berolina ein zunächst ungewöhnliches Bild.
In der Öffentlichkeit tritt der Verein eher selten in seiner spielerischen Verwandlung auf. Als Verein zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor sind wir aber deswegen noch lange kein Geheimbund. Es ist auch nichts Dunkles oder gar Verschwörerisches an uns. Wir lieben die deutsche Sprache und pflegen die deutsche Kultur.

Unser Verein ist von Prager Schauspielern im Jahr 1859 gegründet worden. Die Vereinsgründung in Berlin liegt mehr als 150 Jahre zurück. In dieser Zeit ist viel geschehen. Und gewiss nicht nur Gutes.

Zum zweiten Mal in unserer nun 158jährigen Geschichte treten wir mit der ernsthaften Zeremonie einer Stolpersteinverlegung in die Öffentlichkeit.

Heute gilt es auf historischem Boden gleich drei Stolpersteine zu verlegen. Erich Schlesinger, der – bereits erblindet – mit 63 Jahren auf einem Alterstransport nach Theresienstadt verschleppt worden war, wurde dort am 10.9.1942 ermordet.

Einen Tag später wurde seine Schwiegermutter Rosa, die 1860 in Köln geboren wurde, ermordet. Was hatte diese alte Dame mit nunmehr 82 Jahren verbrochen, dass sie dieses unwürdige Ende nehmen musste? Wie viel Hass war in den Menschen in dieser Zeit! Es reichte aus, jüdischen Glaubens zu sein.

Edith Ahlfeld, Tochter von Rosa, nahm ein ganz anderes Schicksal. Sie wurde mit ihrem Mann und ihrer Mutter gleichsam deportiert. Nur eine kurze Strecke von hier ging ihr allerletzter Zug vom Anhalter Bahnhof in den Tod. Vorbei an der ehemaligen Arminburg der Schlaraffen am Enkeplatz.

Das Schicksal Ediths ist wundersam. Sie überlebte zwei Jahre Theresienstadt und wurde dann im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Wie war dieses Wunder möglich? Mit der Arisierung musste Edith Ahlfeld in der Firma ihres Mannes für lächerliche 150 RM als Stenotypistin arbeiten. Ob ihr diese Tätigkeit in Auschwitz das Leben gerettet hatte? Es ist nicht unwahrscheinlich.

Sie erlebte die Befreiung dieses wohl grausamsten KZ durch sowjetische Truppen im Januar 1945. Sie überlebte!

Edith konnte nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft über Bremen in die USA emigrieren und lebte bis zu ihrem Tod am 2. Mai 1989 in New York. Sie war als Auschwitzüberlebende 96 Jahre alt geworden. Es ist schwer zu denken, ob dieses Leben noch hatte glücklich sein können.

Edith Schlesinger hatte nach dem Krieg versucht, eine Wiedergutmachung zu erlangen. Nach ihren Aussagen wurden sie und ihre Familie im April 1940 von diesem Grundstück Sebastianstraße 20 verjagt. Man fristete die letzten Lebensmonate gegenüber in der Nr. 63.

Ein Profiteur aus der nahegelegenen Wrangelstraße 57 „übernahm“ als „Betriebsführer“ das europaweit erfolgreiche Unternehmen, das die Schlesingers über Generationen geführt hatten. Edith Schlesinger hat nach der dem unsrigen Verein bisher bekannten Aktenlage nichts zurückbekommen. Eine materielle Gerechtigkeit gab es nicht.

Wir wissen nicht, ob für Edith vielleicht die moralisch-seelische Ermordung nach 1945 nicht eine noch schlimmere gewesen war. Als Auschwitzüberlebende hatte sie keine Stimme. Wie viele in dieser Zeit.

Das wollen wir hier und heute ein wenig abmildern.

Wir stehen vor dem Grundstück eines der bedeutendsten Silberwarenfabriken, die Europa kannte. Die hier produzierten Silberwaren des zweiten und assoziierten Firmenzweigs – der nicht-jüdischen Firma H. Meyen – war allerorten hochgeschätzt. Der Hoflieferant Meyen lieferte von hier aus in viele große Adelshäuser nach ganz Europa feine Bestecke und Tafelausstattungen. Tafelteile für jüdische Tischkultur sind bis heute im nahegelegenen Jüdischen Museum vorhanden.

Wir wollen mit der heutigen Stolpersteinverlegung nicht nur die jüdische Familie wieder sichtbar machen, sondern zugleich auch deren Leistung für die gesamte Berliner Kultur- und Wirtschaftsgeschichte aufzeigen. Die Hintergründe zur Familie Schlesinger sind im Netz abrufbar.

Und wir als Verein? Wir stellen uns der Verantwortung. Man mag uns als das Reych Berolina vorwerfen, uns bislang nicht hinreichend der Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit gestellt zu haben. Ich möchte rufen: „J´accuse“. Ich widerspreche. Es hatte ohne Zweifel in den ersten Jahrzehnten nach 1945 eine massive Verdrängung gegeben, die Geschichte aufzuarbeiten. Aber das gilt NICHT für uns heute!

Wie sagte Hannah Arendt? Schuld ist individuell. Niemand von uns, der hier steht ist schuldig an der Shoa. Was aber folgerte Ahrendt daraus? Die Verantwortung, die sich aus der Shoa ergibt, obliegt uns allen. Hier und heute. Jetzt. Wir nehmen die Verantwortung an.

2015 gedachten wir auf unserer 150-Jahr-Feier der ermordeten jüdischen Vereinsmitglieder, unserer Freunde. 2018 war die erste Stolpersteinverlegung für Rt Lustik, den Operettenkomponisten Erich Lewin. Und wäre die Corona-Pandemie nicht gewesen, wäre diese heutige Zeremonie schon zeitlich eher erfolgt. Und noch sind wir nicht fertig. Es fehlen noch weitere Ehrungen für weitere ermordete Freunde und deren Familien.

Man kann der Nazizeit mit Verachtung begegnen. Eine Zeit, die auf einem Frühstück in einer Wannseevilla in 20 Minuten nicht weniger als die systematische Ermordung von 11 Millionen Europäern beschlossen hatte, kann nicht dadurch aufgewogen werden, dass es unter den Nazis auch „anständige“ NS-Beteiligte gab. Das hilft nicht wirklich.
 
Aber keine emotionale Verachtungsdebatte jetzt. Lieber eine erfüllende Verantwortungsdebatte. Wie sagen meine jüdischen Schützlinge auf der jüdischen Schule? Herr Wagner, reden Sie nicht nur von den Toten. Sehen Sie doch, WIR LEBEN. La chaim. Auf das Leben. Dass es für alle in Zukunft menschenwürdig und geschützt bleibe. Stolpersteine für die Lebenden! Für uns! Wir vergewissern uns, dass sich diese dunkle Geschichte niemals wiederholt.

Wir verabschieden unseren Freund Rt Benvenuto und seine Damen mit einem Klang aus unserer schlaraffischen Welt.

Rt Styro-San, Ihr habt die Töne.

Lulu (Rt Eloquio)

Zurück zum Seiteninhalt